Leseprobe: König Korallus
Der Diebstahl
Auf zum Strand
Im Wasser
Delfine
Unter Wasser
König Korallus
Bellaguina
Abendessen
Fliegende Fische
Gute und schlechte Nachrichten
Die verbotene Schlucht
Ich schwimme trotzdem durch
Erste Hilfe
Serpa
Aufregung über Aufregung
Die drei Tore
Eingesogen
Aussichtslos, oder doch nicht?
Ausgespuckt
Der geheimnisvolle Eingang
Das Ziel rückt näher
Angriff über Angriff
Wieder beisammen
Aufgepasst
Enttäuscht
Eine Spur
Hinterhalt
Glückskugel
Ein seltsames Wesen schleicht sich vorsichtig näher. Der Mann bewegt sich aufrecht vorwärts, mit Hilfe kleiner Flossen an Kopf, Rücken, Oberarmen und Beinen. Bei der geringsten Bewegung um ihn herum, huscht er blitzartig in ein Versteck. Nach sorgfältiger Beurteilung der Lage, lässt er sich wieder näher treiben, zum Korallenpalast hin.
Seine hinterlistigen Augen, beobachten aufmerksam die niedrige Muscheltür an der hinteren Wand des Palastes.
Es ist offensichtlich, dass ihm das Warten schwer fällt. Tiburon hat es geschafft, an den Bewachermuscheln vorbei zu kommen, ohne dass sie Alarm geschlagen haben. Das gelingt nur einem Zauberer.
Da endlich, die Tür öffnet sich. Sebulocks, mit Saugnäpfen übersäter Arm, erscheint im schmalen Spalt der unbewachten Hintertür.
„Hallo Tiburon!“, flüstert der Tintenfisch kaum hörbar. „Komm herein! Es ist alles bereit. Hast du das Schlafmittel dabei?“
Tiburon nickt, blickt ein letztes Mal um sich, dann huscht er lautlos durch den engen Türspalt ins prächtige Korallenschloss hinein. Sein Freund Sebulock wirkt angespannt.
„Folge mir! Den Hummer, der sich normalerweise hier herumtreibt, habe ich beschäftigt. Aber man weiss nie, wann jemand auftaucht.“
Gemeinsam schleichen die zwei Verschwörer durch den Korallenpalast bis zum Raum, wo die besondere Muschel aufbewahrt wird. Wer diese Muschel und dazu die Korallenkrone besitzt, der ist rechtmässiger König. Und das möchte der Zauberer Tiburon schon lange sein.
„Heute bin ich an der Reihe mit der Bewachung der Machtmuschel“, bemerkt Sebulock. „Das ist unsere Gelegenheit.“
Tiburon fährt liebevoll über die Muschel. Ein heller Schimmer dringt durch die Schale.
„Bald wirst du mein sein. Und dann brauche ich nur noch die Krone“, flüstert der Zauberer.
„Du hast doch nicht vergessen, was du mir für meine Hilfe versprochen hast?“, erinnert der Tintenfisch den Zauberer mit einem ängstlichen Seitenblick.
„Nein, bestimmt nicht!“, versichert Tiburon. „Du kannst dich auf mich verlassen.“
„Dann lass uns jetzt vorwärts machen“, mahnt Sebulock, „sonst kommt uns noch jemand in die Quere.“
Tiburon steckt die Muschel in einen Beutel. So verrät ihn ihr Leuchten nicht. Stattdessen kramt er eine leicht geöffnete Muschel hervor und legt sie aufs bereitgestellte Tablett. Das ist eine mit Schlafmittel imprägnierte Delikatesse für den Tintenfisch.
„Alles fertig“, meldet der Zauberer. „Ich geh jetzt. Melde dich bei mir, sobald du kannst. Dann überlegen wir uns, wie wir die Korallenkrone bekommen können.“
Sebulock greift gierig nach der Muschel. Diese Sorte liebt er besonders.
„Auf Wiedersehen, … bis … b…“
Sein Arm, den er als Gruss gehoben hat, sinkt zu Boden. Tiburon öffnet das Fenster und verschwindet auf diesem Weg.
Nur wenige Momente später stösst ein Hummer mit einem Bein die Tür auf. Mit seinen riesigen Scheren trägt er ein Tablett vor sich her, gefüllt mit vielen Köstlichkeiten. Als er Sebulock schlaff auf dem Boden liegen sieht, stösst er einen Schrei aus.
Mit seinen langen Fühlern tastet er den Tintenfisch ab. Er lebt noch, reagiert aber auf nichts. Jetzt schaut sich der Hummer im Raum um.
„Hilfe! Es ist eingebrochen worden, die Machtmuschel ist weg!“, schreit er durchdringend.
Bald ist der Raum gefüllt mit den verschiedensten Meereslebewesen, angelockt durch die Schreie des Hummers. Ein aufgeregtes, wildes Durcheinander entsteht. Keiner weiss Rat. Plötzlich verbreitet sich Ruhe. König Korallus schwimmt herein.
„Was ist hier los? Was ist mit Sebulock passiert?“
Zuerst herrscht ratlose Stille. Dann kommt es zu einem grossen Durcheinander. Jeder meint etwas Wichtiges beobachtet zu haben.
„Sebulock liegt wie tot da.“
„Warum ist das Fenster offen? Es muss doch immer verschlossen sein!“
„Die Bewachermuscheln melden, dass sie den Zauberer Tiburon gesehen haben. Kann das sein?“
„Ich habe Sebulock sein Essen bringen wollen, da habe ich ihn so gefunden.“
„Die Muschel ist weg.“
„Ich habe auf dem Flur leise Stimmen gehört.“
„Das bringt uns alles nicht weiter“, beschwert sich der König. „Wir müssen warten, bis es Sebulock wieder besser geht und wir mit ihm sprechen können. Der Doktorfisch soll sich um ihn kümmern!“
Langsam schwimmt das Wasservolk zurück an seine Arbeit. Sebulock schläft noch einen Tag und eine Nacht durch, bevor er langsam wieder zu sich kommt. Während der ganzen Zeit wird die kostbare Muschel gesucht, aber es ist keine Spur zu finden.
Endlich kann Sebulock Auskunft geben, was er genau erlebt hat. König Korallus hört gespannt und interessiert zu.
„Woran kannst du dich noch erinnern?“
„Während ich auf die Muschel aufpasste“, erzählt der Tintenfisch, „hörte ich etwas im Flur. Ich ging hinaus, um nachzuschauen. Aber da war nichts. Als ich wieder zurück in den Raum kam, lag da der Leckerbissen. Ich dachte, der Hummer habe ihn mir gebracht. Ich ass davon und dann weiss ich nichts mehr.“
„Dir ist sicher bekannt“, beginnt der König, „dass der Raub dieser Muschel ein grosser Verlust für mich ist. Es ist überaus wichtig, dass ich sie wieder bekomme. Deshalb bitte ich dich, als mein enger Vertrauter, mir bei der Suche zu helfe. Es besteht der Verdacht, dass der Zauberer Tiburon seine Finger im Spiel hat. Pass auf, wenn du es mit ihm zu tun bekommst!“
Sebulock macht sich noch am gleichen Tag auf den Weg, um die Muschel zu suchen. Für lange Zeit sieht König Korallus nichts mehr von seinem Vertrauten. Ab und zu kommt eine Nachricht von ihm zum Palast, das ist aber auch schon alles. Der König macht sich grosse Sorgen.
Mirjam ist mit ihrer Familie unterwegs zum Strand. Fröhlich hüpft sie voraus, während sie leise ein Lied vor sich hin singt. Ihre Geschwister Katrin und Lukas zanken sich gerade, als sie die beiden überholt. Sie sind sich nicht einig, wer den grossen, gelben, aufgeblasenen Plastikhund mitschleppen muss. Beide wollen im Wasser mit ihm spielen, aber keiner will ihn tragen. Mirjam kümmert das nicht. Sie hat den kleinen Rucksack mit ihren Spielsachen auf dem Rücken. Ihre Geschwister werden sich bestimmt bald wieder vertragen.
Vor Mirjam überquert ein Schmetterling den Weg. Er gaukelt mal hier und mal da hin, ohne ersichtliches Ziel. Endlich lässt er sich auf einer der wenigen Blumen nieder. Mirjam schleicht näher. Sie hält den Atem an. Wie ist der Schmetterling gefärbt? Nur einen Moment lang klappt er seine Flügel auf.
Mehr als einen Orangeschimmer kann sie nicht erkennen. Anstatt sich ihr nochmals zu zeigen, steigt der Schmetterling wieder in die Luft und fliegt mit leichten Flügelschlägen einem neuen, unbekannten Ziel entgegen.
„Schade, dass ich ihn nicht länger habe betrachten können!“
Da hört Mirjam schon etwas Neues, das ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Direkt neben ihr ertönt ein lautes Zirpen. Aber so gut sie auch schaut, der Verursacher ist nicht zu sehen.
Hinter sich hört sie ihre Geschwister vorbeigehen. Der gelbe Plastikhund ist immer noch dabei.
Ein letztes Mal schaut Mirjam auf die Stelle, wo sie das Tier vermutet. Vielleicht meldet es sich doch noch einmal, so dass sie es finden kann. Da sich aber nichts mehr regt, rennt Mirjam ihren Geschwistern nach. Sie freut sich riesig aufs Baden im Meer!
Kaum spüren die Kinder Sand unter den Füssen, schlüpfen alle drei aus den Sandalen und haben nur noch ein Ziel: So schnell wie möglich ins Wasser zu kommen!
Aber die Eltern wollen zuerst noch einen Platz suchen, wo alles hingelegt werden kann. Er darf nicht zu nahe am Wasser sein, weil das Meer mit der Flut noch steigen wird.
Endlich ist es soweit. Mirjam und Katrin halten sich an der Hand und stürmen dem Wasser zu. Lukas folgt ihnen dicht auf den Fersen.
Eine Welle rollt an den Strand. Die Kinder hüpfen mitten hinein, so dass es hoch aufspritzt. Lachend lassen sie sich ins schäumende Salzwasser fallen.
Hier fehlen 2 Kapitel
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irjam geht zum Wasser, diesmal langsamer als beim ersten Mal. Sie blickt immer wieder zurück. Am Strand steht ihre Familie und winkt. Im Meer draussen warten die Delfine. Sie ist hin und her gerissen. Mirjam möchte mit ihrer Familie die Ferien geniessen, aber auch dem Meereskönig helfen.
Mama hat gesagt:
„Wenn du ihm wirklich helfen willst, dann tu es!“
Und sie möchte ihm auf jeden Fall helfen.
Beim Abschied hat Mama ihr eine goldene Armkette mit einem kleinen Delfinanhänger gegeben.
„Damit du uns nicht vergisst. Eigentlich solltest du es erst zu deinem Geburtstag bekommen. Aber in diesem Fall nimm die Kette jetzt schon! Wir sind in Gedanken bei dir und freuen uns aufs Wiedersehen. Alles Gute!“
Mirjam schaut auf ihren Arm und eine grosse Zuversicht geht von dieser Kette aus. Jetzt weiss sie, dass sie es schaffen wird.
Dort wo das Wasser etwas tiefer wird, warten die Delfine.
„Komm, sitz auf meinen Rücken“, fordert Dassino sie auf. „So kommen wir schneller vorwärts.“
Mirjam ist noch nie auf einem Delfin geritten. Deshalb weiss sie gar nicht, wie sie das anstellen soll.
Dassino bemerkt ihr Zögern und versteht es richtig.
„Bleib wo du bist“, sagt er, „ich mach das schon.“
Damit schwimmt er von hinten auf Mirjam zu, drückt sich zwischen die Beine, schwimmt etwas höher und schon sitzt Mirjam auf ihm.
„Jetzt musst du dich nur noch festhalten!“
Aber auch das scheint im ersten Moment nicht einfach zu sein.
„Das kommt schon noch“, muntert er das Mädchen auf.
„Können wir jetzt abtauchen?“, will Dassino wissen.
Mirjam erschrickt.
„Ich kann die Luft nicht lange anhalten.“
„Mach dir darüber keine Sorgen“, versucht der Delfin sie zu beruhigen. „Du kommst mit uns, um dem Meereskönig zu helfen, also kannst du in seinem Reich auch atmen. Das hat er so eingerichtet. Versuchs!“
Ungläubig tut Mirjam einen ersten, zaghaften Atemzug unter Wasser. Es geht! Jetzt beginnt es ihr erst so richtig zu gefallen.
Auf dem Weg zum Königspalast, treffen sie viele verschiedene Fische, Krebse, Seesterne und andere Tiere. Zum Teil sind sie wunderschön gefärbt. Andere sieht man erst beim genauen Hinschauen, weil sie so gut getarnt sind, dass sie mit dem Untergrund fast verschmelzen. Mirjam würde einige von ihnen gerne länger beobachten, aber das geht nicht, Dassino schwimmt sehr schnell.
Der Meeresgrund wechselt von Sand zu Kies. Da und dort schaut eine Felsnase aus dem Boden und über eine weite Strecke unterbricht eine ausgedehnte Seegraswiese den steinigen Untergrund. Überall entdeckt das Mädchen bekannte und unbekannte Tiere. Mirjam fühlt sich wie im Paradies.
Die Delfine erzählen allen, die sie treffen, dass dieses Menschenkind hier sei, um König Korallus zu helfen. Langsam nähern sie sich dem Palast.